Heute früh, 27.5.2025 lud das Justizministerium eine Handvoll Journalisten zu einem Hintergrundgespräch in ein altes Habsburger Jagdschloss. Es steht in Wien-Simmering, im Stadtteil Kaiserebersdorf.
Erbaut vor rund 500 Jahren, diente es als Residenz, später als Armenasyl, dann als Erziehungsanstalt. Jetzt ist hier eine Baustelle.
Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte mir nach dem Rundgang, man wolle diesem alten Gemäuer "einen neuen Geist verpassen". Und tatsächlich lässt sich an diesem Ort einiges über Österreich lernen.
Maria Theresia schenkte das Schloss den Armen. Ihr Sohn, der Reformer Joseph II., verwandelte es in eine Kaserne. In den 1920er-Jahren zogen Reformpädagogen des Roten Wien ein und gründeten eine Bundeserziehungsanstalt für rund 500 Kinder und Jugendliche.
Geleitet wurde sie vom Justizbeamten, Seelsorger und Schriftsteller Richard Seyß-Inquart – dem älteren Bruder des späteren NS-Verbrechers Arthur Seyß-Inquart. Der Ältere galt als fortschrittlich: Bildung statt Strafe, eine Gärtnerei, ein Sportplatz, sogar ein Schwimmbad. Zeitungen berichteten von einer "tüchtigen Zöglingskapelle" und einer modernen Radioanlage. So war das kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs.
Der Reformgeist hielt nicht lange. Die Austrofaschisten und später die Nationalsozialisten machten aus Kaiserebersdorf eine Folteranstalt. Kinder, die als "schwierig" klassifiziert wurden – oder einfach nur das Regime kritisierten – erlebten systematische Misshandlungen: Prügelstrafen, Dunkelzellen, Einzelhaft, Hunger, medizinische "Behandlungen".
Wer nicht spurte, galt als "erbbiologisch minderwertig". Einen Film, den ich vor bald 20 Jahren mit der Filmemacherin Elisabeth Scharang über den Euthanasie-Überlebenden Friedrich Zawrel machte, erzählt, wie Fürsorge in Folter kippen kann.
Auch nach 1945 setzte die Zweite Republik die brutale Praxis fort – bis in die späten 1960er-Jahre. Ungelernte Erzieher agierten wie KZ-Kapos, Jugendliche litten unter Gewalt und Sadismus. Am 19. November 1952 kam es im Schloss zum Aufstand: Rund 90 Jugendliche traten nach willkürlichen Strafen in Hungerstreik, verbarrikadierten sich. Die Polizei schlug die Revolte nieder, zahlreiche Burschen wurden verletzt oder verhaftet. Erst in den 1970er-Jahren wurde Kaiserebersdorf geschlossen. Aus dem Kinderheim wurde ein Gefängnis für Erwachsene.
Warum ich Ihnen das erzähle?
Weil dieses Schloss mehr ist als Mauerwerk. Es ist ein Mahnmal. Ein Zeugnis dafür, wie dünn die Kruste der Zivilisation ist. Und weil es nun wieder ein Gefängnis für Jugendliche wird.
Derzeit entsteht hier die neue "Sonderanstalt für Jugendliche Münnichplatz". Das Justizministerium verweist auf menschenrechtliche und bauliche Mängel in der Josefstadt und im alten Gerasdorf – und will Abhilfe schaffen. 17 von 70 Plätzen sind bereits belegt.
Heute führte man uns über die Baustelle, Fotos sind nicht erlaubt. Volksanwaltschaft, Personalvertreter und auch Medien kritisieren: Der Bau sei nicht belegungsreif. Es fehle an Personal, an Freiraum, an Ressourcen.
Das stimmt alles. Aber wahr ist auch, dass die neue Anstaltsleiterin Seada Killinger, eine Reformpädagogin und Offizierin der Justizwache, einen neuen Geist ins Schloss bringen will. Sie spricht von Sportplätzen, die hier gerade gebaut werden, von "Karrierewerkstätten", einem Feng-Shui-Hof zum Gärtnern und von "Freizeitkoordinatoren", die sich hier um die schwierigsten Jugendlichen kümmern werden. Gezeigt wurden helle Hafträume, kleine Klassenzimmer, in denen bereits afghanische und syrische Insassen alphabetisiert werden.
Es war ein Pressetermin. Alles sauber, alles aufgeräumt. Und doch war die Botschaft klar: Der Staat will investieren. In Bildung, Reintegration, Erziehung. Nicht mit Boot-Camps und Abschreckung, wie es reaktionäre Kräfte fordern.
Das ist die gute Nachricht, sie ist eine Lektion unserer Geschichte.
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