Cyberassets und Finanzkrisen


Seiber Essets und Finanzkrisen
 

Franz Nauschnigg [1]

Cyberassets und Finanzkrisen

 

In den letzten Jahren waren Cyberassets sehr aktuell. Insbesondere die Bitcoin Kursentwicklung zeigte einen typischen Boom und Bust Zyklus.

Der Preis für Bitcoin ist 2017 geradezu explodiert und auf etwa 17.000 Euro gestiegen bevor er 2018 wieder abstürzte. Der Bitcoin-Boom/Bust Zyklus ist allerdings nichts Neues, da es auf deregulierten Finanzmärkten in der Geschichte immer wieder zu spekulativen Übertreibungen, Manien, Paniken und dadurch ausgelöst zu immer wiederkehrenden Krisen und Kursabstürzen kam.

In einem Gastkommentar in der Wiener Zeitung am 04.10.2017, - John Maynard Keynes und das digitale Geld - Die Bitcoin-Blase im Lichte vergangener Finanzkrisen – warnte ich bereits vor dieser Blase: „Das Problematische bei solchen spekulativen Kursentwicklungen ist, dass sehr viele Nicht-Fachleute, getrieben von der Aussicht auf leichte Gewinne, zu schon exorbitant angestiegenen Kursen kaufen und dann im Crash hohe Verluste erleiden.“ Dies dürfte auch bei Bitcoin der Fall gewesen sein. Insider haben vorher den Hype angetrieben, weil sie schon zu niedrigen Preisen gekauft hatten und dann zu hohen Preisen verkaufen konnten. Siehe Artikel in der Financial Times am 23. 8. 2018 – Many bankers sold close to the top, piggybacking on those with fewer market smarts. Vereinzelt haben leider auch offizielle Stellen, die Hype befördert, weil es eben gerade in und modern war. Dies obwohl Notenbanken, Finanzmarktaufseher und seriöse Analysten vor den Risiken warnten.

Dass ein Instrument wie Bitcoin, dass derartige Kursschwankungen aufweist, vorwiegend ein Spekulationsobjekt ist und als Zahlungsmittel im Alltag niemals mit einer stabilen Währung wie dem Euro mithalten wird können, ist offensichtlich. Die mancherorts gehegte Hoffnung, man investiere hier in eine Zukunftswährung, ist höchst fragwürdig. Bitcoin ist auch deswegen kein sehr effizientes Zahlungsmittel, weil zu seiner Schaffung sehr viel Computerleistung mit entsprechendem Stromverbrauch notwendig ist. Ein Notenbankkollege hat dazu einmal festgestellt, dass durch Bitcoin mit dem Stromverbrauch Österreichs der Zahlungsverkehr einer mittelgroßen Stadt abgewickelt wird. Zusätzlich können mit Bitcoin Geldwäsche betrieben und Kapitalverkehrsbeschränkungen umgangen werden.

Von Bitcoin zu unterscheiden ist die zugrundeliegende Technologie - Blockchain -, die durchaus interessante Aspekte besitzt

Um diese Schwankungen wie sie bei Bitcoin auch in letzter Zeit erfolgten, zu vermeiden wurden in den letzten Jahren auch sogenannte “stablecoins” entwickelt. Deren Wert ist meist an eine Währung, am häufigsten Dollar, aber auch den Euro gebunden. Der Ausgeber dieser stablecoin verpflichtet sich den Wert stabil zu halten, die Frage ist allerdings ob er es in Krisenzeiten auch kann.

Am bekanntesten ist die von Facebook (weltgrößtes Internet-Netzwerk mit 2,4 Milliarden Nutzern) vorgeschlagene stablecoin, Libra. Damit würde ein Konsortium großer, verwiegend US Unternehmen eine globale Währung schaffen. Die negativen Auswirkungen von Libra werden zunehmend mehr bewusst. Wenn es seinen Nutzern Anonymität gewährt ermöglicht Libra Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Ohne Anonymität bekommt Facebook Zugang zu den Finanzdaten der Libra Nutzer. Für Europa würde die Abhängigkeit von US Zahlungssystemen verschärft. Diese ist mit dem Dollar dominierten internationalen Zahlungssystem schon jetzt nicht gering und wird von den USA für außenpolitische Ziele, z.B. Sanktionen gegen Staaten, auch gegen den Willen der EU, wie beim Iran, genutzt.

Facebook stößt mit seinen Libra-Plänen bei Notenbanken, Aufsichtsbehörden und Politikern auf Widerstand. Die internationalen Aufsichtsbehörden und der Financial Stability Board (FSB) haben vor den Risiken für die Finanzstabilität gewarnt, die sich aus privaten Währungen (Stablecoins) ergeben. Der deutsche Finanzminister, Scholz, sagte Libra sei eine Bedrohung für die Autonomie von Staaten und für demokratische Entscheidungsstrukturen. “Wir müssen deswegen dafür Sorge tragen, dass die Herausgabe einer Währung eine Angelegenheit von Staaten bleibt und nicht großer privater Firmen.” 

Auf Grund dieses Drucks haben wichtige Firmen, wie das Online-Auktionshaus Ebay, die Bezahldienste Paypal und Stripe sowie die Kreditkartenanbieter Mastercard und Visa, Libra zuletzt den Rücken gekehrt. Es gibt allerdings Experten die Facebook auf Grund seiner Marktmacht zutrauen, das globale Finanzsystem womöglich auf den Kopf zu stellen.

Um diese Probleme zu vermeiden, wurden zuletzt auch von Notenbanken herausgegebene Digitalwährungen – Central Bank Digital Currencies (CBDC) diskutiert. Einige Notenbanken (Schweden, Norwegen, China, Uruguay, Kanada) beschäftigen sich konkret damit. Auch die BIZ, die Zentralbank der Notenbanken, beschäftigt sich damit und in vielen anderen Notenbanken, auch im Eurosystem, wird die Diskussion aufmerksam verfolgt und Vor- und Nachteile von CBDC abgewogen.

CBDC hätten jedenfalls den Vorteil das ein Lender of Last Resort, der im Krisenfall eingreifen könnte, gegeben wäre. Dies wäre gegenüber privaten Digitalwährungen ein enormer Vorteil, da deregulierte Finanzmärkte anfällig für Finanzkrisen, die meist mit Boom-und-Bust-Zyklen einhergingen, sind.

Eines der frühesten Beispiele ist die Tulpenspekulation in Holland, als eine Tulpenzwiebel den Gegenwert eines Hauses in Amsterdam erreichte. Insbesondere neue Technologien führten sehr oft zu Finanzkrisen, da ihre Möglichkeiten überschätzt werden - Kanal- und Eisenbahnkrisen, der Börsencrash 1929 der insbesondere Automobil und Radioaktien betraf, die Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre und jetzt eben Bitcoin und andere Cyber-Assets.

Durch Währungskrisen werden aber oft auch ganze Länder destabilisiert. Die EU Länder erlitten in den EWS-Währungskrisen von 1992 -1995 durch spekulative Attacken hohe Verluste. Erst durch den Euro wurde diesem Spuk ein Ende bereitet.  Auch liberalisierte auf Wohnungseigentum basierende Immobilienmärkte sind instabil wie die Immobilienblasen in den USA, Irland, Spanien zeigten, die nach 2007 zu schweren Finanzkrisen führten.

Von den Neoliberalen und den Monetaristen wurden Marktfundamentalistische Positionen vertreten und bis zum Ausbruch der großen Krise im Jahr 2007 der Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, insbesondere auch aus dem Finanzsektor, betrieben. Kritische Stimmen wurden ignoriert. Der US-Ökonom Hyman Minsky betonte in seinen Werken die zyklische Natur des Kapitalismus und stellte fest, dass schon Keynes in seiner "General Theory" dies als systemische Eigenschaft des Kapitalismus erkannt hatte. Wie ich selbst schon 2003 in einem Beitrag zum Sammelband "Alternativen zum Neoliberalismus im Zeitalter der Globalisierung" feststellte, verursachen neoliberale Reformen wie die Deregulierung des Finanzsektors und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs, verbunden mit großen Kapitalflüssen, Finanzkrisen. Ich stellte schon 2003 fest: "Die Frage ist nicht ob, sondern wann die nächste Krise, der nächste Crash kommt und wie wir darauf vorbereitet sind."

Seit den 1980er Jahren mit dem Siegeszug des Neoliberalismus sind daher die Krisen wieder häufiger geworden - Schuldenkrisen insbesondere in Lateinamerika in den 1980ern, Währungskrisen in Europa von 1992 bis 1995, die Mexiko-Krise 1994/95, die Asien-Krise 1997 bis 1999, die Russland-Krise 1998 oder auch die Hedge-Fond-Krise (Long Term Capital Movements Fonds) 1998/99, um nur einige zu nennen. Weiters ist die massive Überbewertung der Technologie-Aktien, der im Jahr 2000 ein regelrechter Crash dieser Aktien folgte, zu erwähnen. Luc Laeven und Fabián Valencia haben in einer Studie für den Internationalen Währungsfonds (IWF) festgestellt, dass es von 1970 bis 2011 insgesamt 218 Währungs-, 147 Banken- und 66 Staatsschuldenkrisen gab. Diese Krisen verursachten hohe wirtschaftliche Kosten.

Seit 2008 haben wir die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren, ausgehend von einem Boom/Bust-Zyklus auf den US-Immobilienmärkten. Seither verstärkt man die Regulierung der Finanzmärkte - mehr Staat, weniger Markt -, um eine Wiederholung der Krise zu vermeiden. Teils ist man hier aber nicht sehr effizient, wenn man etwa kleine Banken den gleichen Regelungen unterwirft wie große - hier wäre mehr Proportionalität bei Regulierungen bei großen Themen gefragt. Vom Niveau des Bretton-Woods-Systems ist man aber noch weit entfernt. Man hat gelernt, dass deregulierte Finanzmärkte instabil sind und immer wieder Boom/Bust-Zyklen entwickeln, die zu Finanzkrisen führen. "Mehr Staat, weniger Markt" ist international die Devise. Lediglich in den USA tritt Präsident Donald Trump wieder für eine Deregulierung ein, wovor aber sogar die Fed warnt.

Auch in Österreich könnte die von Türkis/Blau 2019 beschlossene stärkere Förderung des Eigentumserwerbs, auch im geförderten Wohnbau, das bisher sehr stabile österreichische Wohnbausystem destabilisieren. Dies weil auf Wohnungseigentum basierende Immobilienmärkte instabil sind und zu Boom/Bust Zyklen mit Immobilienblasen neigen.

 



[1] War bis Mai 2019 Abteilungsleiter in der Oesterreichischen Nationalbank, Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen und wirtschaftspolitischer Berater der Finanzminister Staribacher, Klima, Edlinger von 1995 bis 1999

Sunday, November 10, 2019 12:25:00 AM
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